Der Fachkräftemangel in der Physiotherapie gehört inzwischen zu den größten Engpässen im deutschen Gesundheitswesen. Immer mehr Praxen suchen vergeblich nach gut ausgebildeten Physiotherapeuten, während die Nachfrage nach therapeutischer Versorgung aufgrund des demografischen Wandels weiter steigt. Laut Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) zählt der Bereich zu den am stärksten vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen in Deutschland. Die Folge: Immer mehr offene Stellen bleiben unbesetzt, Patienten warten wochenlang auf Termine – oder erhalten gar keine Behandlung mehr.

Warum der Beruf an Attraktivität verliert
Der Beruf des Physiotherapeuten wird in der öffentlichen Wahrnehmung zwar als sinnstiftend und systemrelevant anerkannt, doch viele scheuen sich, ihn zu ergreifen. Die Gründe liegen in strukturellen Schwächen: Geringe Vergütung, hohe Arbeitsbelastung, fehlende Aufstiegschancen und eine oft unzureichende Wertschätzung führen dazu, dass viele junge Menschen den Beruf meiden oder ihn nach wenigen Jahren wieder verlassen.
Selbst ausgebildete Fachkräfte steigen nach Abschluss der berufsfachschulischen Ausbildung häufig in verwandte Gesundheitsfachberufe um oder wechseln in die Krankenpflege, weil dort die Rahmenbedingungen attraktiver erscheinen. Auch die mangelnde Sichtbarkeit des Berufsbildes in Schulen oder Berufsberatungen trägt zur sinkenden Attraktivität des Berufs bei.
Physiotherapiepraxen unter Druck: Wenn sich offene Stellen nicht besetzen lassen
Die Zahl der Physiotherapiepraxen, die langfristig unterbesetzt arbeiten, wächst stetig. Für viele Praxisinhaber ist der Fachkräftemangel längst kein abstraktes Thema mehr – sondern Alltag. Sie berichten von wiederkehrenden Absagen, überfüllten Wartelisten und einem steigenden Druck, die verbleibenden Teammitglieder nicht zu überlasten. Die Belastung auf die vorhandenen Fachkräfte ist enorm – und sie nimmt durch die wachsende Zahl an Behandlungen und chronischen Erkrankungen weiter zu.
Die Alterung der Gesellschaft und die Zunahme von Erkrankungen, die eine Rehabilitation erfordern, sorgen dafür, dass die Nachfrage nach physiotherapeutischen Leistungen auch in den kommenden Jahren steigen wird. Gleichzeitig fehlt es an qualifizierten Fachkräften, die diese Versorgung übernehmen können.
Teilakademisierung als Lösung? Ein umstrittenes Modell
Die politische Antwort auf die Situation war in den letzten Jahren die sogenannte Teilakademisierung. Sie soll die Ausbildung modernisieren und die Attraktivität des Berufs steigern. In der Praxis führt das Modell jedoch zu Unsicherheiten: Studierende und Schüler:innen erhalten unterschiedliche Abschlüsse, oft bei gleichem praktischen Niveau. Die Gefahr: Noch mehr Bürokratie, unklare Anerkennung und fehlende Vergleichbarkeit.
Langfristig fordern viele Verbände deshalb eine klare Akademisierung des Berufsbilds – analog zu anderen europäischen Ländern. Das würde nicht nur die Qualität der Ausbildung verbessern, sondern auch die Anschlussfähigkeit international erleichtern.

Ausländische Fachkräfte: Potenzial mit Hürden
Ein weiteres Lösungsfeld ist die gezielte Gewinnung von ausländischen Fachkräften. Der Fachkräftemangel ist längst nicht nur ein nationales Thema – auch die deutsche Wirtschaft ist auf Zuwanderung angewiesen. Doch wer sich als Physiotherapeut:in aus dem Ausland in Deutschland anerkennen lassen möchte, stößt auf viele Hürden: komplexe Verfahren, unklare Zuständigkeiten und lange Wartezeiten.
Hinzu kommt: Die Integration in Teams gelingt nur dann, wenn neben der formellen Anerkennung ausländischer Abschlüsse auch die sprachliche und kulturelle Eingewöhnung unterstützt wird. Sprachkurse, Mentoring-Programme und transparente Anerkennungsrichtlinien wären zentrale Stellschrauben – doch sie sind bislang nur punktuell vorhanden.
Was getan werden muss, um den Beruf wieder attraktiv zu machen
Damit der Bereich der Physiotherapie wieder attraktiv für junge Menschen und Quereinsteiger wird, braucht es mehr als Reformen auf dem Papier. Entscheidend sind:
Bessere Arbeitsbedingungen (z. B. weniger Zeitdruck, mehr Flexibilität, moderne Praxisausstattung)
Faire Vergütung, die den Ausbildungsaufwand widerspiegelt
Karriereperspektiven, etwa durch Spezialisierungen oder Leitungsfunktionen
Imagekampagnen, um die Rolle der Physios im Gesundheitssystem sichtbarer zu machen
Eine konsequente Entlastung der Praxen, etwa durch digitale Tools oder nicht-therapeutisches Unterstützungspersonal
Nur wenn der Beruf wieder als lohnend, entwicklungsfähig und gesellschaftlich bedeutsam wahrgenommen wird, kann die Fachkräftelücke langfristig geschlossen werden.
Fazit: Der Fachkräftemangel ist lösbar – aber nicht mit Symbolpolitik
Der Fachkräftemangels in der Physiotherapie gefährdet zunehmend die Gesundheit und Lebensqualität vieler Menschen in Deutschland. Ob chronische Rückenschmerzen, neurologische Erkrankungen oder postoperative Mobilisation – ohne ausreichend Personal kann keine flächendeckende Versorgung stattfinden.
Deshalb braucht es entschlossene politische Maßnahmen, eine Aufwertung der therapeutischen Berufe und eine praxisnahe Debatte darüber, wie Therapieberufe in der Zukunft organisiert und finanziert werden. Nur so können ausgebildete Physiotherapeuten, Patient:innen und Praxisinhaber wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Fachkräftemangel in der Physiotherapie
Der Fachkräftemangel in der Physiotherapie gehört inzwischen zu den größten Engpässen im deutschen Gesundheitswesen. Immer mehr Praxen suchen vergeblich nach gut ausgebildeten Physiotherapeuten, während die

Physiotherapeuten finden: Strategien für Praxen
Die Suche nach qualifizierten Physiotherapeut:innen ist längst zu einer Herausforderung geworden, die vielen Praxen schlaflose Nächte bereitet. Während der Bedarf an physiotherapeutischen Behandlungen steigt, bleibt